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Die Konsequenz

29.09.2025

1

Minuten

Portrait-Foto von Christian Faltin

Christian Faltin

Christian Faltin

Christian Faltin

Christian Faltin

Autor / Media Coach / Senior PR-Executive für die Digitale Wirtschaft

Andreas Haupt und Maria vor wegweisenden Entscheidungen

Bild: Chat GPT 4o

Andreas Haupt und Maria vor wegweisenden Entscheidungen

Bild: Chat GPT 4o

Andreas Haupt und Maria vor wegweisenden Entscheidungen

Bild: Chat GPT 4o

Andreas Haupt und Maria vor wegweisenden Entscheidungen

Bild: Chat GPT 4o

24. September

Mario ist raus. Gerade tickerte der Newsletter von Campagneros, unserem allseits geliebten Marketing-Insider-Fachmedium, in mein Postfach. „….Er verlässt das Unternehmen in beiderseitigem Einvernehmen, um sich neuen Herausforderungen zu stellen“ und so weiter und so gelogen. Ihr kennt ja die grundehrlichen PMs zu Personalwechseln. Bin mal gespannt, ob Advocat auf Insta irgendwann mal die wirklichen Hintergründe postet.

Das Thema Sex und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz scheint ja ein latent virulentes Thema in unserer Branche zu sein. Warum sollten Werber auch moralischer sein als andere Berufsgruppen? Unser Image ist doch eher schlechter. Dass ich mich über Marios Rauswurf freue, wäre gelogen. Ich bin schlichtweg begeistert. Der Typ hat es verdient. Es muss also keine KissCam sein, manchmal reicht auch ein unbedachtes Social Selfie. Yes!

Für alle, die meinen letzten Tagebucheintrag nicht gelesen haben. Mario war nicht nur jetzt Ex-Marketingleiter bei unserem ehemaligen Großkunden. Er hat auch meine Mitgesellschafterin und -Geschäftsführerin Maria geschwängert - was vor einigen Monaten die Hälfte der Mitarbeitenden bei HAUPTGEWINN um ihren Job gebracht hat – und gleichzeitig mit der Geburt der gemeinsamen Tochter mit Maria eine Affäre mit Lara, einer Endzwanzigerin aus seiner Firma, die dort Social Media-Managerin ist, angefangen. Ich bin also persönlich nahezu unbefangen bei der Personalie. Zumal ihn Maria wohl auch abserviert hat. Wobei, ganz sicher bin ich mir nicht. Auf jeden Fall will ich der Erste sein, der ihr die Nachricht überbringt.

Ich erreiche sie auf ihrem Handy: „Maria, kann es sein, dass Du Deine Kontakte zu unserem Ex-Großkunden reaktiviert hast? Mario ist nämlich gerade rausgeflogen.“ Marias Schmunzeln kann man sogar am Telefon hören: „Kannst Du Dich an Charlotte erinnern, die Compliance-Beauftragte von Marios Konzern. Ich hatte sehr viel Kontakt mit ihr, als wir den Etat damals verloren hatten, wegen meiner Beziehung mit Mario. Später haben wir uns auch privat angefreundet. Und ich habe sie vorige Woche mal gefragt, was die Konzernpolicy in so einem Fall vorschreibt. Das Ergebnis hast du gerade gelesen: Mario fliegt raus, Lara darf bleiben, weil sie in der Konzernhierarchie unter ihm stand und er ihr weisungsbefugt war. Wobei ich bei Lara davon ausgehe, dass da keine wirkliche Weisung nötig war. Und, um Dir die Frage vorwegzunehmen: Ich habe mich auch offiziell von Mario getrennt. Und noch eins, Andreas: Ich weiß nicht, was ich von Deiner Aktion mit Eva halten soll? Meiner besten Freundin Marios Fehltritt beichten. Du hättest doch gleich zu mir kommen können.“

„Und dann? Hättest Du mir denn geglaubt?“, reagiere ich vielleicht ein wenig zu scharf. Maria seufzt: „Lass uns mal reden, Andreas. Ich habe mir in den vergangenen Tagen sehr viele Gedanken gemacht, privat wie beruflich. Ich bin morgen wieder in der Agentur, dann finden wir einen gemeinsamen Termin.“ „Gerne, Maria, ich muss allerdings noch den Pitch um den TikTok-Etat unserer hiesigen Großgärtnerei vorbereiten. Bitte gib mir noch ein, zwei Tage.“

29. September

Ich treffe mich mit Maria im Café auf der Dachterrasse unseres Kulturzentrums. Da sind wir vormittags weitgehend ungestört. Würden wir uns beide einen halben Tag im Konfi der Agentur einschließen, würde die Gerüchteküche hochkochen. So tragen wir uns einen gemeinsamen Neukundentermin in unsere digitalen Kalender ein und der HAUPTGEWINN-Flurfunk hat Sendepause.

Maria schaut richtig gut aus. Nur ein bisschen blass ist sie um die Nase. Ich habe mich für heute für einen sportlich-lässigen Look entschieden. Blaues Fred Perry-Shirt, rote Hose von Boss und dazu weiße Sneaker von Alexander McQueen. Klassischer Agentur-Look, nur die Uhr ist von Glashütte – als Protest gegen die Rolex-Prolls dieser LinkedIn-Business-Welt.

Maria legt los: „Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, Andreas. Aber ich versuche es mal: Du erinnerst Dich sicher an unseren Positionierungs-Workshop in eigener Sache. Und an das New Business-Konzept, was wir anschließend entwickeln wollten. Wenn wir ehrlich zu uns selbst sind: Wir sind keinen Schritt weiter als vorher. Wir haben zwar ein paar kleinere Projektaufträge geholt, aber ab Q4 holt uns die harte wirtschaftliche Realität ein: Zu hohe Kosten, zu wenig Etats. Und wenn ich mir die Agenturlandschaft rings um uns herum anschaue, dann sind wir mit diesem Problem in guter Gesellschaft. Mein Fazit: Bernd, unser Berater, ist zwar ein zynischer Großkotz, aber er hat Recht. Wir müssen uns verkleinern. Im ersten Schritt von 14 auf 7 Mitarbeitende. Das ist hart. Für uns, aber vor allem für die Mitarbeitenden, und allein natürlich auch keine Strategie.

Deswegen würde ich vorschlagen: Wir spezialisieren uns auf den Mittelstand. Kleine Boutiqueberatung, vorrangig B2B und da eher die Slow Mover. HAUPTGEWINN wird in der Außendarstellung eine Kommunikations-, KI- und Transformationsberatung mit Augenmaß. Solide Ergebnisse statt hektisches Trendhopping. Weil wir aber nicht wissen, ob das im Markt funktioniert, sollten wir parallel sondieren, was ginge in Sachen Verkauf oder Kooperation. Mal schauen, ob Bernd da Kontakte hat.

Und jetzt zum privaten Teil: Ich bin ab sofort mit Josefa alleinerziehend. Das heißt: Ich brauche ein Maximum an Flexibilität und externer Unterstützung, um überhaupt weiter in der Agentur arbeiten zu können. Jetzt kommst Du.“

Ich schmunzle: „Wäre ich in der Gen Z würde ich sagen: Ich fühl Dich. Nein, im Ernst, Maria, ich bin natürlich in den vergangenen Wochen auch im Gedankenkarussell gekreist. Und ich komme zum selben Ergebnis wie Du. Das wird hart für uns und die Agentur. Wenn wir die Hälfte unseres Teams betriebsbedingt freistellen, wird sich die andere Hälfte auf die Suche nach einem neuen Job machen. Aber ich sehe in der BWA auch keine Alternative zu diesem Schritt. 75 Prozent unserer Kosten sind Personalkosten. Und was unsere Positionierung betrifft: Natürlich brauchen wir eine, aber ich bin der festen Überzeugung, dass das meiste weiterhin über persönliche Beziehungen und Empfehlungen kommen wird. Den Vertriebs-Volkers, die einem eine gut gefüllte Neukunden-Pipeline versprechen (via LinkedIn, Datenbank oder Mail), glaube ich kein Wort.

Und ja, wir sollten uns mal umhören, ob ein Merger oder ein Verkauf nicht doch eine Alternative wäre. Ich mache uns mal einen gemeinsamen Termin mit Bernd. Und was Dein privates Problem betrifft. Ich werde Dich nach besten Kräften unterstützen. Darauf kannst Du Dich verlassen.“

Was ich ihr nicht gesagt habe: Marios Abgang sehe ich als Chance. Es wäre schön, wenn wir wieder zusammenkämen. Josefa wäre zwar nicht meine Tochter, aber vielleicht würde sie es werden - mit der Zeit. Dann würde aus dem schleichenden Niedergang von HAUPTGEWINN zumindest ein Gewinn auf privater Ebene. Träumen darf man ja wohl, gerade in der Werbung.

Aber jetzt mache ich erst mal einen Termin mit Bernd, ändere die Texte auf unserer Homepage und stelle uns die ersten Personalgespräche ein. Es gibt schönere Momente im Leben eines Unternehmers.

Fortsetzung folgt