5.August
Mario ist ein Schwein. Für alle, die mein Tagebuch nicht von Anfang an gelesen haben: Mario ist Marketingleiter bei unserem ehemaligen Großkunden. Deshalb Ex-Kunde, weil Mario meine Mitgesellschafterin und -Geschäftsführerin Maria geschwängert hat und wir aus Compliance-Gründen in der Konsequenz damit 50 Prozent unseres Umsatzes verloren haben. Was die Hälfte der Mitarbeitenden bei HAUPTGEWINN um ihren Job gebracht hat.
Das allein würde schon reichen. ABER: Ich habe die Ratte vergangene Woche am See gesehen. Knutschend mit Lara, einer Endzwanzigerin aus seiner Firma, die dort Social Media-Managerin ist. Während Maria wahrscheinlich Josefa im Kinderwagen durch die Gegend schiebt. Ich wollte noch ein Beweisfoto für Maria machen, aber dann sind die beiden auf einem SUP so weit vom Ufer weg gepadelt, dass man sie nicht mehr erkannt hat.
Eigentlich wollte ich Maria sofort anrufen, aber dann habe ich gezögert. Ich war schließlich mal mit Maria zusammen, auch wenn das eine ganze Weile her ist. Wie kommt das rüber, wenn der Ex den aktuellen Lebenspartner beschuldigt, ohne Beweise zu haben. Und selbst wenn ich Beweise hätte, wird nicht der Überbringer der schlechten Nachricht geköpft? Soll ich Mario die Fresse polieren? Leider bin ich nicht der Typ dazu.
Was tun? Sage ich es ihr, glaubt sie es mir vielleicht nicht oder ist sauer auf mich. Sage ich es ihr nicht, ist sie definitiv sauer auf mich. Schönes Dilemma. Ich fühl mich ziemlich am Ende, auch wenn ich nicht Jean-Remy bin. War ganz schön peinlich seine Nius-Nummer, oder? Das dürfte die Freude über die Spiegel-Bestsellerliste trüben. Muss mal eine Nacht über die Angelegenheit mit Mario und Maria schlafen.
6. August
Ich habe ziemlich schlecht geschlafen und mich rumgewälzt, allein in meinem Kingsize-Bett. Würde Maria Mario den Fehltritt verzeihen? Oder es ist mehr als ein Fehltritt und das A….loch drückt sich um seine Verantwortung für Freundin und Kind? Gegen fünf, als es anfing zu dämmern, habe ich ein bisschen in den Sozialen Netzwerken gesurft und das Insta-Profil von Lara aufgerufen. In einem Post von vor drei Monaten bin ich dann fündig geworden. Unter dem Hashtag #NewLove hat sie ein Bild von sich und ihrem neuen Lover gepostet. Sie sieht man frontal, vom Mann sieht man „nur“ den Rücken, die dunklen Haare und einen halbwegs sportlichen Oberkörper.
„Nur“ packe ich deshalb in Anführungszeichen, weil der Rücken zur Identifikation eindeutig ausreicht. Auf dem linken Schulterblatt prangt nämlich ein Tattoo: Super-Mario, der Nintendo-Klempner. Und von den gemeinsamen Jogging- und Sauna-Runden weiß ich, dieses (etwas misslungene) Wunderwerk der menschlichen Gravierkunst gehört Mario. Er hat es sich stechen lassen, als er als junger Erwachsener sein Geld mit Zocken von Videogames verdiente. Hat er mir höchstpersönlich erzählt. Das wird sein Waterloo. Dieses Sackgesicht betrügt Maria seit mindestens einem Vierteljahr. Da war die kleine Josefa gerade mal ein paar Wochen auf der Welt. Vielleicht geht das aber auch schon länger? Wie bringe ich das jetzt Maria bei?
7.August
Wem würdet ihr eher glauben? Eurer besten Freundin oder einem gekränkten Ex? Genau! Ich werde mit Eva reden, der besten Freundin von Maria und sie mal ganz scheinheilig um Rat fragen. Gut, ich glaube nicht, dass Eva jetzt die allerbeste Meinung von mir hat. Maria wird ihr sicher das ein oder andere über mich erzählt haben, aber in so einer Angelegenheit können Frauen doch gar nicht anders als miteinander reden, oder? Ich schicke Eva eine Nachricht über Signal. WhatsApp habe ich schon vor Monaten vom Smartphone geschmissen, damit ich Marks KI nicht mit persönlichen Infos und Bildern füttere.
„Hi Eva, hast Du mal Lust auf einen Kaffee? Würde mich sehr freuen, Dich wiederzusehen.“ Evas Antwort kommt erst Stunden später. Hoffentlich fasst sie meine Message nicht als Einladung zum Date auf. Sie ist, glaube ich, gerade mal wieder Single: „Servus Andreas, das ist aber eine Überraschung. Was ist los, haben Deine vielen Bunnies keine Zeit für Dich?“ Dann muss ich wohl direkter zur Sache kommen: „Es geht um Maria, Eva. Ich würde Dich gerne um Rat fragen und es ist mir sehr wichtig.“ „Ja klar, sag das doch gleich. Morgen, halb Eins zum Lunch beim Italiener am Stadtpark?“, Eva ist anscheinend neugierig. „A demain, Eva. Freu mich.“ Das tu ich in dem Fall wirklich.
8. August
YES, alles richtig gemacht. Eva ist fast vom Stuhl gefallen, als ich ihr die Geschichte mit Mario und mein persönliches Dilemma ausführlich erläutert habe - inklusive des Fotos von Laras Profil. Sie will gleich heute Abend mit Maria sprechen. Ob ich mich dann ein ander Mal mal einfach so mit ihr treffen wolle, hat sie dann noch gefragt. Das hat mich überrascht, aber ich hab mich gerade noch rechtzeitig ins Ungefähre geflüchtet: „Ja, gerne. Mal schauen, viel zu tun in den nächsten Wochen etc.“.
9. August
Mario hat mir mittags eine ungefähr zehn Minuten lange Sprachnachricht geschickt. Die Kurzfassung: Ich wäre eine feige Sau und solle ihm nicht mehr unter die Augen treten. Das mit Lara wäre eine reine Verzweiflungstat gewesen (weil Maria mit dem Neugeborenen, keine Zeit für ihn uswusw…, ihr kennt die Leier).
Und ich solle bloß die Klappe halten, sonst würde er mich in der Branche so unmöglich machen, dass wir als Agentur keinen Auftrag mehr bekommen würden. Was glaubt er, wer er ist? Mario Capone? Und dann habe ich da noch eine Sprachnachricht von Maria auf meinem iPhone. Sie ist ziemlich leise und schnieft immer wieder zwischendrin. Sie will mit mir sprechen. Nicht jetzt, aber in einer Woche. Sie müsse bis dahin etwas erledigen.
Fortsetzung folgt