/

/

Ausgabe

17

Ausgabe

17

Ausgabe

17

Das Dilemma

23.04.2025

1

Minuten

Portrait-Foto von Christian Faltin

Christian Faltin

Christian Faltin

Christian Faltin

Christian Faltin

Autor / Media Coach / Senior PR-Executive für die Digitale Wirtschaft

Andreas Haupt, CEO der Agentur HAUPTGEWINN, fühlt sich diesmal im falschen Film.

Andreas Haupt, CEO der Agentur HAUPTGEWINN, fühlt sich diesmal im falschen Film.

Andreas Haupt, CEO der Agentur HAUPTGEWINN, fühlt sich diesmal im falschen Film.

Andreas Haupt, CEO der Agentur HAUPTGEWINN, fühlt sich diesmal im falschen Film.

23. April

Bevor es in der Jetztzeit weitergeht, schulde ich Euch noch den Rest der Zusammenfassung, warum ich das letzte halbe Jahr abgetaucht war. Den ersten Teil hatte ich schon in Folge 16 geliefert:

Rückblick Teil 2

26. Oktober 2024

Völlig umsonst nach Hause gedüst: Maria geht es gut. Das waren nur ganz normale Frühwehen, wie sie bei jeder Frau zwischen der 20. und 37. Woche auftreten können. Mario ist einfach ein Honk, viel zu panisch der Typ. Gleich beim ersten Zwicken ins Krankenhaus rasen. Als Vater ist der doch völlig ungeeignet. Aber, obwohl es nichts Ernstes ist: Marias Ärztin hat ihr empfohlen, deutlich kürzer zu treten – im Job und privat. Heißt für mich konkret: Maria - nicht nur meine Co-MD, sondern auch Herz und Hirn der Agentur - ist ab kommenden Monat weitgehend raus aus dem Tagesgeschäft von HAUPTGEWINN. Deutlich früher als eigentlich gedacht.

Und da kamen sie schlagartig wieder, meine drei Probleme: Wie geht es weiter mit der Agentur? Was mache ich mit dem Wunsch meines Vaters, den BRUNNBRÄU gemeinsam mit ihm zu modernisieren? Und viel wichtiger: Wie kriege ich Anastasia wieder aus dem Kopf? Ich muss morgen mal zum Wandern in die Berge, um in Ruhe über alles nachzudenken. Am letzten schönen Herbsttag.

4. November 2024

Mein Vater, hat mir schon xfach auf die Mailbox gesprochen. Er will wissen, wie es weitergeht. Und ob ich etwas gegen Anastasia habe? Ich kann ihm ja wohl schlecht auf die Nase binden, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Und natürlich könnten wir den Etat für den Relaunch des BRUNNBRÄU für HAUPTGEWINN bestens gebrauchen, um die BWA zumindest in den nächsten sechs Monaten nicht tiefrot werden zu lassen. Aber wie soll das gehen, wenn ich in Anastasias Gegenwart nur stotternd denken kann? Morgen rufe ich mal meinen Vater an.

5. November 2024

Mein Vater hat mir heute morgen ein wirklich großzügiges Angebot gemacht. Eins, das ich nicht wirklich ablehnen kann. Ein ordentlicher Retainer für den Relaunch in den nächsten sechs Monaten, mit Aussicht auf Zusatzbudget, falls weitere Aufgaben anfallen. Eine Bedingung hätte er allerdings: Anastasia würde das Projekt gemeinsam mit uns durchziehen. Dazu würde sie unter der Woche zu uns in die Agentur pendeln und wir sollten ihr einen Arbeitsplatz bereitstellen.

„Vater, ich möchte das erst mit Maria besprechen“, habe ich geantwortet, um auch Zeit für mich zu schinden. „Meinst Du die Frage ernst“, fragt mich Maria am Telefon. „Klar“, sage ich. „Unter New Business-Gesichtspunkten bleibt uns doch gar keine andere Wahl. Da musst Du deine Animositäten in Bezug auf deinen alten Herrn mal ein bisschen hintanstellen. Und bei seiner Partnerin lässt Du einfach deinen Charme spielen. Das hast du doch bei einigen Kundinnen in der Vergangenheit bereits durchaus erfolgreich praktiziert, wenn ich mich Recht erinnere“, antwortet Maria mit leicht spöttischem Unterton. „Ja, aber“…“Nix aber, wir machen das, Andreas. Wir brauchen die Kohle.“ Und damit ist die Sache entschieden.

Mein Vater freut sich sehr, als ich ihm am Nachmittag telefonisch zusage. Und am Abend kommt noch eine Mail von Anastasia: Sie hofft, dass es keine allzu großen Umstände bereitet, mir in der Agentur einen Platz einzurichten. Und das sei ja nur vorübergehend. Außerdem freue sie sich sehr auf die gemeinsame Arbeit mit mir und den Kolleg:innen aus dem Team. Sie hätte von meinem Vater schon sehr viel Positives über uns gehört. ...Mir hat er noch nie etwas dergleichen erzählt. Wir vereinbaren einen Kickoff-Termin Mitte November bei uns in der Agentur. Und morgen sag ich dem Team Bescheid.

7. November

Das war ja gestern eine Stimmung in der Agentur, wie auf einem Taylor Swift-Konzert. So viel Begeisterung gab es schon lange nicht mehr. Scheinbar gibt es wenig interessantere Aufgaben als eine regionale Brauereimarke zu modernisieren.

Carla, unsere Content Directorin, wollte gleich eine komplette Storyline für die Relaunch-Kampagne entwerfen. „Wir brauchen unbedingt auch History Marketing, um die Heritage und die Tradition des BRUNNBRÄU herauszuheben“, tönte sie. „Und Social ist natürlich gesetzt. Lets TikTok“, ergänzte Susi, unsere Social Media-Expertin. Viktor, unser Volo, meint: „Mir fallen spontan mindestens drei bis fünf Challenges ein, die wir für den BRUNNBRÄU entwickeln. Vom Handstand-Exen bis zur Frau Holle-Challenge. Du wirst sehen, Andreas, das hat echt Aura. Weil, was die bisher machen, das ist voll goofy.“

Nur Charlotte, unsere Client Account Managerin, wollte es etwas genauer wissen: „Sag mal bitte nochmal, Andreas, wie das genau zwischen uns und dem Kunden läuft. Wer entscheidet final: Dein Vater oder diese Anastasia? Und was genau kann die eigentlich?“

„Anastasia stellt sich kommende Woche persönlich vor. Dann lernt ihr sie kennen. Und bis dahin läuft bitte unser Routine-Recherche-Prozess: Alles über die Marke, alles über den Markt und den Wettbewerb. Und sammelt schon mal witzige und gute Ideen der Konkurrenz, dass wir uns nicht das Gleiche ausdenken“, briefe ich das Team kurz. „Das ausführliche Briefing und Debriefing machen wir dann gemeinsam mit dem Kunden.“

15. November

Gestern waren Anastasia und mein Vater gemeinsam da, um unserem Team, den BRUNNBRÄU und das Briefing persönlich vorzustellen. Ich hoffe, die anderen haben nicht gemerkt, wie es mich wieder geflasht hat. Glücklicherweise war Maria nicht dabei. Die hätte sofort geschnallt, was mit mir los ist. Auf jeden Fall habe ich mir alle Mühe dieser Welt gegeben, auf Anastasia möglichst kühl und neutral zu reagieren. Sie hat erzählt, dass sie an der Kyiv International University Wirtschaftswissenschaft mit Schwerpunkt Marketing studiert hat. Und dann als Marketingverantwortliche für einen global exportierenden Agrarbetrieb gearbeitet hatte, der im großen Stil Sonnenblumen- und Sojaöl herstellte und exportierte.

Bis der Krieg kam und die russische Aggression. Ihr Mann sei sofort an die Front abkommandiert worden und kämpft dort – mit kurzen Unterbrechungen - seit mehr als drei Jahren. Milena, die Teenie-Tochter, und Anastasia schickte er im Frühjahr 2022 - kurz nach dem Massaker bei Butscha - zu Freunden nach Deutschland. Dort habe sie später dann Viktor, meinen Vater, kennengelernt. Und der hätte sie eingeladen, in seinem deutlich größeren Haus zu wohnen. Das habe sie sehr gerne angenommen. Und weil sie Marketing-Expertin sei, habe Sie Viktor später – nachdem sie schon wesentlich besser deutsch sprach -auch für den BRUNNBRÄU engagiert. Ein bisschen Food-Erfahrung würde sie zwar mitbringen, aber sie würde sich auf das Know-How, die Erfahrung und die Zusammenarbeit mit uns sehr freuen.

BÄM! Unser Team hat Anastasia mit ihrer Persönlichkeit, ihrem Wesen und ihrem Charme sofort überzeugt. Was meinem Vater natürlich diebische Freude bereitet hat. Und in einer Woche möchte Anastasia „mit mir persönlich“ nochmal einen ausführlichen Kickoff-Termin veranstalten. Puh. Ich fühle mich wie ein 15jähriger Teenager, der sich in seine Lehrerin verknallt hat. Keine Chance. Oder wie der Typ aus diesem Evergreen-Weihnachtsmovie „Tatsächlich Liebe“, der unsterblich in die Frau seines besten Freundes verliebt ist. Diese Tafelnummer vor der Türe, wo er ihr sprachlos seine Liebe gesteht, während der Freund oben auf der Couch das Sportprogramm glotzt. So ähnlich geht’s mir. Keine Ahnung, wie ich aus der Nummer wieder rauskomme.

Fortsetzung folgt