21. November
Das kann doch wohl NICHT WAHR SEIN! Das hätte ich von Team RUDI echt nicht erwartet. Schlagen die mir doch für die XMAS-Party unserer Agentur glatt folgende Kombi vor: „Erst gibt es für die komplette Frauschaft ab 17 Uhr einen innovativen Liederabend: Anna Netrebko singt in der russischen Botschaft gemeinsam mit der durch KI wiederhergestellte Stimme von Ivan Rebroff die schönsten Weihnachtslieder von Taiga bis Wolga. Danach haben wir bei FAT MAN, einem stadtbekannten Edel-Chinesen, den Nebenraum gemietet.“
Echt jetzt? Und was wollt ihr dann auf LinkedIn und Insta posten?, hab ich sie gefragt. Ein gemeinsames Foto von Wladimir Putin und Xi Jinping? Lesen die jungen Leute von heute auf TikTok keine Zeitung mehr? OK, Spaß. Aber das geht doch wirklich nicht. Wir sind doch eine Agentur MIT HALTUNG. Wir können doch angesichts der aktuellen Weltlage keine russischen Weihnachtslieder singen und danach beim Chinesen völlern!
Ich habe ihnen vorgeschlagen: Lasst uns BITTE was mit PURPOSE machen! Etwas, was besser in die Zeit passt. Ganz laaaange Pause im Teams-Call. Was ich denn alternativ vorschlagen würde? Eine Lichterkette vor der Synagoge mit anschließendem Besuch bei Dean&David?
An der Stelle hab ich den Call dann abgebrochen.
22. November
Neuer Anlauf, ich rede nochmal mit Team RUDI. Das wird schon.
Eigentlich habe ich das Thema Weihnachtsfeier ja schon vor Jahren ins Team delegiert. Für mich zu viel Aufwand und zu viel Ärger. Niemand kann man es recht machen. Bock haben nur wenige und die Kosten lassen den Dezember in der BWA regelmäßig ins Minus rutschen. Und bisher hatte Team RUDI ja immer gute Ideen geliefert.
Kein Wunder, eigentlich ist das eine Traumtruppe: Maria, meine Co-MD. Elena, unsere beste Etat-Direktorin und Viktor, unser Volo. Maria und ich sind uns auf der Weihnachtsfeier vor zehn Jahren nähergekommen. Da hatte sie gerade frisch bei HAUPTGEWINN angefangen. Es war schön, es war intensiv, aber leider viel zu kurz. An Heilig Drei König war es schon wieder zu Ende. Maria wollte meine Ehe nicht gefährden. Hat sie nicht geschafft. Aber, Maria ist geblieben und meine rechte Hand geworden. Sie ist der eigentliche Hauptgewinn der Agentur: das Herz, das Hirn, der Taschenrechner und die Leber unserer Firma. Um im Bild zu bleiben: Ich bin mehr so der Bauch und der Mund bei HAUPTGEWINN.
Elena, unsere beste Etatdirektorin, ist der Client Happiness Faktor. Die Kunden lieben sie und ihre charmante Art. Und Viktor ist unser jüngster Neuzugang: Ein GenZ-Nerd im besten Sinne, er hat irgendwas mit Gaming studiert und ernährt sich weitgehend von Energydrinks und ist auf PP-Diät (Pizza-Pinsa).
Drei Generationen, eine Wellenlänge. Eigentlich verstehen wir uns als Team prächtig. Heute nicht. Viktor argumentiert, dass wir doch seit Jahren auch für Solarwei, den großen chinesischen Hersteller von Solarpanelen, arbeiten. Elena meint: „Kunst kennt keine Nationalitäten.“ Und Maria sagte nur: „Schisser!“
Euch fehlt das Feingefühl, meine Lieben. Deswegen beschliesse ich: Die Weihnachtsfeier wird HAUPTSACHE. Ich kümmer mich persönlich drum.
23. November
Puh. Das war vielleicht ein bißchen vorwitzig gestern. Gar nicht so einfach die Aufgabe: Schließlich können wir als Agentur ja nicht irgendwas als Weihnachtsfeier machen. Das sollte schon kreativ sein. Wir waren schon Wellenreiten, Eisstockschießen, Airdiven, Kartfahren, Schlittschuhlaufen, beim Paintball und in der Theatergruppe, haben Weihnachtsschmuck gebastelt, Weihnachtslieder im Studio aufgenommen, einen Tanzkurz in 70er-Jahre-Outfit absolviert und uns an Müllsammelaktionen beteiligt. Was sollen unsere Kunden von uns denken, wenn wir jetzt ganz banal in einer Osteria feiern? Wobei, nach Giorga Melonis Wahlsieg hätte das auch irgendwie ein Gschmäckle. Ich braine morgen weiter.
24. November
Ich hab die Lösung: Wir feiern mit Vitali und seinen Kollegen. Vitali und seine weitgehend männliche IT-Truppe kommen aus der Ukraine. Sie sind aber nach Kriegsbeginn nach München geflohen und machen jetzt hier irgendwas mit Drohnen – wohl fürs Verteidigungsministerium, sagt Vitali. Ich mors ihn gleich mal an. HAUPTGEWINN ist eh zu 75 Prozent weiblich, vielleicht bekommen wir da sogar was völkerverbindendes hin. Ich schlage das auch mal Team RUDI vor.
27. November
Vitali hat sich gemeldet: „Danke Andi, nette Idee und schöne Geste, aber ich fürchte das wird nix. Unsere Männer sind in der Mehrzahl orthodox. Da war Heiligabend bis vor kurzem am 6. Januar. Der ist jetzt zwar qua Gesetz von Selenskyj auf den 25.12. vorverlegt, aber die Jungs sind Traditionalisten. Und unter uns: Wir haben für unsere Weihnachtsfeier Pläne, die man euren Mitarbeiterinnen eh nicht zumuten kann.“
Mist, jetzt läuft mir die Zeit weg.
28. November
Ich habs: Wir lunchen im Blauen Nil und unterstützen damit unseren lokalen Äthiopier. Da gibt es Kichererbsen in Curcumasauce mit Grünkohl. Oder Gebratenes, in Streifen geschnittenes Lammfleisch mit Tomaten, Zwiebeln und Peperoni. Das Ganze ohne Besteck, aber mit Fladenbrot. Und zum Abschluss einen Glühwein am Weihnachtsmarkt um die Ecke. So, damit sollte die Sache pragmatisch erledigt sein. Ich schick den Vorschlag gleich mal ans Team.
29. November
Team RUDI schreibt: „Angesichts des Kriegs im Norden Äthopiens und der katastrophalen Versorgungslage inklusive Hungersnot im Land finden wir es zynisch und unangebracht, unsere Agentur-Weihnachtsfeier im „Blauen Nil“ zu veranstalten.“ Sie hätten eine kurze Abstimmung im Mitarbeiterinternen Slack-Channel gestartet und das Echo wäre VERNICHTEND gewesen.
4. Dezember
Kompromiss: Wir gehen jetzt doch ins Konzert von Anna Netrebko, danach aber in ein Schweizer Lokal.
5. Dezember
Viktor weist die Mitarbeitenden im intern Slack-Channel daraufhin, dass Weihnachtsfeiern NICHT verpflichtend sind und die Teilnahme absolut freiwillig. Mir reichts. Nächstes Jahr soll sich Team RUDI wieder drum kümmern.