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Ausgabe

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Der Personal Branding Workshop

13.12.2023

5

Minuten

Portrait-Foto von Christian Faltin

Christian Faltin

Christian Faltin

Christian Faltin

Christian Faltin

Autor / Media Coach / Senior PR-Executive für die Digitale Wirtschaft

Foto: Midjourney/Joachim Graf

Foto: Midjourney/Joachim Graf

Foto: Midjourney/Joachim Graf

Foto: Midjourney/Joachim Graf

7. November 2023

2024 wird hart. Für uns als Agentur vielleicht nicht ganz sooo hart, aber für die Kommunikationsbranche insgesamt schon. Gut, die Spending-Prognosen der großen Media-Netzwerke für 2024 versprechen für Deutschland ein leichtes Plus. Aber ich hab da ein ungutes Bauchgefühl, dass die Kohle eher bei Amazon, Google, Meta und TikTok landet. Und weniger bei uns. Ein paar Bestandskunden haben schon angekündigt, Etats zu reduzieren. Als Inflationsausgleich, nur leider für uns in die völlig falsche Richtung.

Kalt- und Neukundenakquise waren auch schon mal einfacher. Und mein persönliches Netzwerk habe ich in Zeiten voller Auftragsbücher etwas zu stark schleifen lassen. Maria, meine Co, meinte, dass unsere Praktis bessere LinkedIn-Profile hätten als ich. Zugegeben, da is was dran. Ich habe noch nicht mal ein vernünftiges Profil- und Titelbild. Da erzählen wir unseren Kunden dauernd davon, wie wichtig es ist die Marke zu pflegen. Und selbst? Lassen wir das Personal Branding massiv schleifen. So kann es nicht weitergehen! Florian Haller folgen auf LinkedIn fast 15.000 Menschen. Und Jean-Remy von Matt hat knapp 7.500 Follower, ohne dass er bisher einen einzigen Beitrag gepostet hätte. Und ich: Hab gerade mal mickrige 1.347 Follower. Da MUSS was passieren!

15. November 2023

Heute hab ich mich angemeldet! Bei Sandrine. Sandrine du Chateau-Fleur ist Business-Influencerin und Personal-Branding-Expertin. Sie hat 1,2 Mio. Follower auf LinkedIn, ist TOP VOICE und in der Rangliste der Profile mit den meisten Followern in den Top 5!!! Und, sie arbeitet mit ihrem Team angeblich für die Hälfte aller M-DAX-CEOs. Nebenbei schaut sie noch verdammt gut aus. Ist natürlich für mich nicht relevant. Mir geht’s rein ums Fachliche 😉. Billig ist der Personal Branding-Workshop am Nikolaus-Tag nicht. Zwei Mille, aber ich seh das als Investment in die Zukunft von HAUPTGEWINN. Quasi als Akquise-Training für den modernen Agenturchef.

Maria, meine Co-MD, nörgelt rum, dass es weitaus günstigere Möglichkeiten gibt, Frauen kennenzulernen. Und ob, es nicht reichen würde, den ganzen kostenlosen How-to-Content, den die Myriaden selbsternannter LinkedIn-Expertinnen täglich so ausscheiden, einfach von ChatGPT mal zusammenfassen zu lassen.

Wahrscheinlich ist sie nur stutenbissig. Das ist doch nicht dasselbe.

31. November 2023

Heute kam die Inmail von Sandrine. Sie freue sich total auf den Workshop mit uns. Und wir sollen als Vorbereitung bitte folgende Frage beantworten: „WOFÜR stehst Du?“

Die Frage, WORAUF ich stehe, wäre einfacher zu beantworten. Klar, als Privatmensch habe ich einen klaren Wertekompass. Nur in der Arbeit? Da stehen wir als HAUPTGEWINN für Kreativität, Exzellenz und herausragendes Fulfillment (so wie die meisten anderen Agenturen, die bei 360-Grad zu heiß gewaschen wurden). Unter uns: Eigentlich sind wir so wie Yazid aus der ARD-Vorabendserie Hubert und/ohne Staller. Seine Firma nennt sich „Ich mach alles“.  Und die operative Umsetzung dieses Prinzips ist eine Mischung aus Hallodri-tum, Selbstausbeutung und manchmal auch grenzwertiger Halblegalität. Wenn ich da an unsere Media-Kickbacks denke … (Glücklicherweise liest das Thomas Koch jetzt nicht. Der hat eh schon immer schlechte Laune beim Thema Werbung).

Egal. Zuhause steht noch ein Buch von Axel Hacke und Giovanni di Lorenzo im Schrank: „Wofür stehst Du?“ Die zwei intellektuellen Größen haben bestimmt was Passendes formuliert. Da werde ich mich mal ganz unauffällig inspirieren lassen.

6. Dezember 2023

Sandrine ist der Hit. In Wirklichkeit sieht Sie noch viel besser aus als auf LinkedIn. Und sie hat für alle Workshop-Teilnehmer zwei Nikoläuse mitgebracht – einen mit weißer Schokolade und einen mit dunkler. Politisch (fast) total korrekt (wird Zeit, dass es nächstes Jahr die ersten Nikoläusinnen gibt. Reminder: Die Idee gleich mal an Lindt mailen). Insgesamt sind wir zu zehnt: Acht Männer (meistens über 40) und zwei junge Frauen, die sich gleich zu Beginn als Fan-Girlies zu erkennen geben und Selfies mit Sandrine machen.

Leider kann Sandrine nur eine Viertelstunde bleiben: „Ein Minister wartet auf mich“. Deshalb übergibt sie an Luis. Einen blassen, verhuschten Endzwanziger, der mit uns den Workshop durchziehen wird. So hab ich mir das nicht vorgestellt. Und was in den nächsten vier Stunden kommt, hätte ich mir echt schenken können. Ganz banale Tipps aus der Mottenkisten der „Content Creator“:

Sei authentisch! Sind Jeremy Fragrance und Björn Höcke auch. Authentische Idioten gibt’s viel zu viele.

Poste aus der persönlichen Perspektive! Mit einem Hook am Anfang und einem Call to action am Ende! Echt jetzt? Wär ich nie drauf gekommen.

Ich frage Luis, ob der klassische Aufbau eines LinkedIn-Posts nicht schon wieder überholt ist. „Wenn‘s jeder macht, kommt doch das Maximum an Langeweile raus. Meinst Du nicht?“ Guter CTA, oder? Leider kann mir Luis da nicht weiterhelfen. Seine Auswertungen zu Likes und Interaktionen hätten da andere Ergebnisse geliefert: „Nur wer den Algorithmus füttert, wird genährt.“

Ich persönlich bin ja mehr so der Underposer, gehöre zu den über 90 Prozent der Hidden Champions des Netzwerks. Bin Content-Consumer statt Content Creator.  Damit fühle ich mich deutlich wohler als diese Myriaden vorwiegend männlicher Explainer, die einem ständig die Welt erklären und immer einen guten Ratschlag parat haben. Nur haben sie selbst leider nie was Senkrechtes zustande gebracht, sind bei ihren Jobs rausgeflogen und jetzt als selbständige One Man-Consultants oder -Coaches unterwegs. Oder diese Super-Salies, die Vertriebs-Volkers, die einen per Inmail stalken: „Hast Du noch Kapa, Andreas? Unser Wahnsinns-Software liefert Dir zuverlässig wöchentlich zehn Neukundenkontakte. Damit Dein Business skalierbarer wird.“

Ja genau.  Sonst noch was? Verarschen kann ich mich selber und deutlich günstiger. Luis zeigt uns zum Schluss das Ranking der Top-InfluencerInnen, dass irgendein Recherche-Nerd zusammengeklopft hat (wahrscheinlich um eine paar Likes für sich abzustauben). Da ranken hauptsächlich Promis, CEOs großer Unternehmen, Fußballer, Minister und ein paar wenige hauptberufliche InfluencerInnen.

Da komme ich nicht ran. Luis Tipp: „Werde die Nummer 1 in Deiner Nische. Teile deine Insights. Den wirklichen Mehrwert deiner Arbeit.“ Soll ich vielleicht was über unsere aktuelle Kampagne für den laktosefreien Joghurt schreiben? „Minus L mal Minus L = das Plus für Dich“. Der Minus L-Doppelpack hat die Umsätze unseres Kunden im Handel nach nur einer Woche um 33,4 Prozent gesteigert. Geil, oder? Aber wenn ich das publiziere, schmeißt mich der Kunde raus.

Ich könnte auch einen Newsletter mit den wirklichen wahren „Behind the Scenes der Werbebranche“ schreiben. Aber dazu müsste ich vorher erst meine Agentur verkaufen. Ich hab eine bessere Idee: Mein erster Post für 2024 wird eine Typologie der ganzen unsäglichen LinkedIn-Poser. Da habe ich jetzt über Weihnachten jede Menge Zeit. Und in mein Profilbild packe ich den Bowler Hat. Bei Bernd Michael hat das Personal Branding mit einer roten Krawatte ja auch super geklappt, obwohl die Agentur Grey hieß.

7. Dezember 2023

Das Selfie mit Sandrine ist jetzt mein Titelbild. Danach hab ich Sie entfolgt.